Meine Wurzeln

Geschichtlicher Hintergrund des Ausdruckstanzes und der Tanztherapie

Von der Ästhetik der formschönen und auf Perfektion angelegten Technik des klassischen Balletts befreien sich in den 30er und 40er Jahren in Deutschland Tänzer und Tänzerinnen.

Isadora Duncan und Mary Wigman und Rudolf Laban prägen einen avantgardistischen Tanzstil - den Ausdruckstanz.
Getanzt wird jetzt nicht nur auf Bühnen und im Theater, sondern auch unter freiem Himmel, auf der Straße, im Wald und in Kirchen. Insbesondere Isadora Duncan sucht im Tanz die Verbindung zu Natur und Göttlichem.
Mary Wigman arbeitet mit schauspielerischem Ansatz und transformiert psychologische und emotionale Vorgänge auf die tänzerische Ebene.
Getanzt wird, was frei macht ... jenseits des bisher gültigen Schönheitsideals.
Der Perfektion in der Bewegung steht nun ein wilder, von innen heraus kommender, frecher, unbändiger, provozierender und gesellschaftskritischer Tanzstil gegenüber.
Kurt Joos kreiert das Tanztheater, Rudolf Laban entwickelt eine Tanz- und Bewegungsnotation, mit deren Hilfe Bewegungsabläufe auf dem Papier festgehalten werden können. Ein Tanz- und Bewegungsvokabular ist entstanden.

Die Präsens Hitlers und die damit verbundenen Ereignisse provozieren
bei den Tänzern und Tänzerinnen Ausdrucksmittel der versteckten Kritik.
Im Rahmen der "künstlerischen Freiheit" gelingt hier und da im Ausdruckstanz auf den Bühnen ein Wirken gegen Hitler. Bald jedoch wird der Ausdruckstanz verboten, Künstler und Künstlerinnen werden verhaftet, andere wandern nach Amerika aus.
Die in Deutschland bleiben, müssen nach "Hitlers Pfeife tanzen".
In Amerika treffen die deutschen TänzerInnen auf Kolleginnen und Kollegen, die ihrerseits neue, moderne Tanztechniken entwickeln:
Jose Limon, Irmgard Bartenieff, Martha Graham, ... um einige Namen zu nennen.
Es entsteht der Modern Dance, Jazz Dance, New Dance usw.

Nach 1945 besteht in Deutschland das Bedürfnis nach geistiger und emotionaler Aufarbeitung.
Freud, C. G. Jung und andere Psychologen entwickeln die Psychotherapien.
Interessiert am der seelischen Äußerung, am Sichtbarmachen innerer Prozesse auf der Körperebene arbeiten Tänzerinnen und Tänzer nach 1945 mit körperlich, geistig und psychisch Kranken.
Aus den künstlerisch, kreativen Ansätzen des Ausdruckstanzes entsteht in der Tanztherapie eine neue Heilungsmethode.
Die Schweizerin Trudi Schoop befreite sich selber in ihrer Kindheit durch den Tanz von ihren Psychosen und tanzte mit ihrer eigenen Truppe und eigenen Stücken erfolgreich in Amerika und Deutschland.
Bis ins hohe Alter engagiert sie sich tanztherapeutisch in diversen psychiatrischen Kliniken in der Schweiz und in Deutschland.
Von ihr stammt das folgende Zitat:

"Im Tanz erfährt der Mensch seine Möglichkeit, Phantasie zu besitzen und nicht von der Phantasie besessen zu sein ..."

Bis heute hat sich die Tanztherapie weiterentwickelt.
Berufsverbände (DGT, Deutsche Gesellschaft für Tanztherapie, BTD Berufsverband der Tanztherapeutinnen Deutschland) sind entstanden, in denen ihre Mitglieder neben ihrem professionellen Anspruch an der Anerkennung im bestehenden Dschungel der Medizin, den Therapien und den Krankenkassen arbeiten.

Die Tanztherapie kann als Konglomerat aus dem medizinischen Wissen der Physiotherapien, dem psychologischen Wissen C. G. Jungs und den schöpferisch-kreativen Möglichkeiten der Tänzer und Tänzerinnen verstanden werden.
Es ist eine seelisch-körperliche Heilungs- und Behandlungsform gewachsen.

Die Amerikanerin Janet Adler entwickelte die "Authentische Bewegung". Sie ist im seelischen vergleichbar mit Moschee Feldenkrais; wo er den innerkörperlichen Ansatz der Bewegung im muskulären Bereich und im Knochenbau sucht, gilt ihr Interesse den unmittelbaren, wertfreien Bewegungsimpulsen einer Arbeit mit geschlossenen Augen in der Stille.

Bis heute sind im Laufe der Zeit die verschiedensten Formen der Körperarbeit und Tanztherapie entstanden.
Sie unterscheiden sich grob dadurch, ob sie auf der Basis künstlerischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse oder mit esoterischem Ansatz praktiziert werden.
Die Pioniere des Ausdruckstanzes von damals sind verschwunden.

Pina Bausch, Sascha Waltz, Kohann Kresnik, Jan Fabre und viele mehr sind heute an ihre Stelle getreten und bereichern die Gegenwart mit bewegenden Inszenierungen und Choreographien.

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Ich selbst arbeite nach den Ansätzen von Trudi Schoop, Rudolf Laban, C. G. Jung und Janet Adler.
Mein Schwerpunkt bei Kindern und Erwachsenen liegt im Bereich der Persönlichkeitserweiterung, weniger im Klinischen.
Die Freude an der Bewegung und die Lust in ihr neue Wege zu gehen stehen für mich an erster Stelle.

Ina Hermanns, Marbächle, den 10.11.04